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Georg Brentano und sein Park in Frankfurt-Rödelheim - eine Familiengeschichte / Kapitel IV.

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Bevor ich aber über die Mühlgrabenbrücke gehe und die Gestaltung des Parks schildere, möchte ich den 1. Teil des Berichtes des Domherrn Johann Lorenz von Meyer bringen. Das Buch war nur schwer aufzutreiben und ich möchte meine Leser nicht um das Vergnügen bringen, diesen euphorischen Text zu lesen.

  „Ein günstiger Zufall führte mich gestern auf einer Abendspazierfahrt nach Rödelheim, zu der mit genialem Sinn, zartem Geschmack und von der alltagsweise abweichender Liebhaberei angelegten Villa Brentano’s. Der stille Feldstrom Nidda, der die Verbreitung seines Namens dem Revolutionskrieg des vorletzten Jahrzehnts verdankte, leihet seine lebhaft strömenden Wasser den buschigen Anlagen von nicht großem, doch verständig genutztem Umfang, zum schäumenden Katarakt, der eine daneben sich wölbende einsame Laube durch sein Rauschen zum heimlichsten Plätzchen verschönert. Über den Gartenkatarakt führt eine leichte Brücke, auf deren Geländer sich köstliche Blumenvasen reihen *), zu der mit niedlichem Wohn- und Schlafzimmer eingerichteten ländlichen Hütte, der Eremitage des Besitzers, um sich dahin von dem Landhaus zurückziehen zu können. Über ein Fülle seltener Blumenarten, die den kleinen Gartenwinkel vor der Hütte schmücken, schweift von hier ab der Blick hin, hier auf den Wasserfall und das stille Dorf, dort auf das waldige Jenseits des den Garten der Länge nach anspülenden Stroms. – Ihr ruhet hier auf den Sitzen am Katarakt, in Träume der Vergangenheit und Gegenwart gewiegt: - horch! da rauscht es girrend herab vom Strohdach der Klause, in weiten Kreisen die Blumen und Euer Haupt umflatternd, sich tauchend in die klare Flut, oder in das Marmorbecken vor der Hütte. Auch das dünkt euch ein wacher Traum; und doch war es eine schöne Wirklichkeit. Ein Schwarm Tauben: wahrhaft südliche Idealgestalten des Tropenhimmels in ihren Formen und glänzend wechselnden Gefiederfarben, schöner als sie uns der Norden gebiert, und Colombi und Angelika, als der Venus Gespann und Amors Gespiele, sie malen. Der Besitzer hält diese Amorettenschar in dem hellen, äußerst reinlich gehaltenen Raum über seiner Klause, wo die zarten Wesen ihren Haushalt ungehindert treiben. Wollt ihr Frauen und Jungfrauen mir vielleicht Dank wissen für diese nach dem Leben entworfenen Skizze von Brentanos schönem und gemüthlichem Landsitz und seinem idyllischen Taubenspiel: - doch würde sie euch, kämet ihr und sähet die Natur und das Leben selbst – fürwahr nur als ein schwaches Abbild der Wirklichkeit erscheinen in diesem kleinen Arkadium, das noch mehr des Anmutigen und Reizenden in seinem Schatten birgt.

Doch solch verfeinertem Genuß der Sinne gehört diese Anlage dieser lieblichen Villa nicht allein. Edler Gemeinsinn und hülfreiche Menschlichkeit walten hier, Wohltaten aller Art verbreitend, über den angrenzenden Flecken durch die von dem Besitzer gestifteten und mit Unterstützung eines thätigen Freundes sorgsam gepflegten Armen-, Kranken-, Versorgungs- und Industrie-Anstalten, die nach dem Ortsverhältnis Menschenleiden erleichtern und Menschglück befördern helfen.“

*) die mit Blumentöpfen geschmückte Brücke war die kleine Brücke über den Mühlgraben, nicht die Brücke über die Nidda zum Petri-Häuschen.

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