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Georg Brentano und sein Park in Frankfurt-Rödelheim - eine Familiengeschichte / Kapitel IV.

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Auch nach Georgs Tod kamen die Verwandten in der Sommerzeit gerne nach Rödelheim. So schreibt Georg von Hertling – ein Enkel Melines - : „die Sommerferien verbrachten wir am liebsten bei der Tante Marie (Louis’ Frau) in Rödelheim, was uns der Inbegriff alles Schönen und Herrlichen zu sein schien. Ganz am Ende des Parkes, wo sich weite Wiesen von Gruppen alter Bäume malerisch unterbrochen, dehnten, war ein Irrgarten, der für uns Kinder der  Gegenstand höchsten Interesses war, bis wir den Schlüssel des Geheimnisses entdeckt hatten“:

Etwa um die gleiche Zeit mag es gewesen sein, daß Herman Grimm in Rödelheim war, was er schon von früheren Besuchen her kannte. Dort traf er Marianne von Willemer, die auch manches Mal Gast in Rödelheim gewesen war. Ich möchte den netten Berichts des Zusammentreffens von Herman Grimm, dem Sohn von Wilhelm Grimm, damals noch Student, mit Marianne wörtlich wiedergeben, wie er von Bernhard von Brentano (von der Darmstädter Linie) in seinem Buch: „Daß ich eins und doppelt bin“ erzählt wird.

„Ihre Zeitgenossen haben Marianne sehr geliebt; ich wüsste nicht, daß sie einen Feind gehabt hätte, noch nicht einmal ein böses Wort habe ich über sie gefunden. Daß Marianne aber die große Liebe des alten Goethe war, das wusste niemand. Der Magier in Weimar hielt das Geheimnis dieser Leidenschaft versteckt unter den Blüten seiner Verse, und Marianne schwieg.

Wir gingen da eines Abends im Garten spazieren und hatten von Goethe gesprochen. Ich erinnere mich deutlich, wie über den Himmel von Westen her allerlei Gewölk zog, das schlechtes Wetter für den nächsten Tag ankündigte, und ein seufzender Wind über die Felder strich.

Ich weiß nicht, wie mir da Goethes Verse in den Sinn kamen: ‚Ach, um Deine feuchten Schwingen, West, wie sehr ich Dich beneide...’ Ich sprach sie halblaut vor mich hin im Weiterschreiten. Marianne machte halt, sah mich eine Weile mit ihren großen graublauen glänzenden und beweglichen Augen an und sagte: „Höre, wie kommst Du dazu, dieses Gedicht zu sagen?“ „O, es fiel mir grade so lebhaft ein“ antwortete ich. „Es ist eines von Goethes schönsten“.

Marianne sah mich immerzu an, als wolle sie etwas sagen, besänne sich aber, ob sie es tun solle. „Ich will Dir etwas sagen“, rief ich plötzlich aus und weiß selbst nicht, wie ich darauf kam, „das Gedicht ist von Dir. Du hast es gemacht.“ „Du darfst es niemand weitersagen“ begann Marianne nach einer Weile und streckte mir die Hand hin, „ja, ich habe die Verse gemacht.“

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