Georg Brentano und sein Park in Frankfurt-Rödelheim - eine Familiengeschichte / Kapitel V. | |
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Mir scheint, zu einem Lebensgenuß ist Marie nie mehr fähig gewesen. Aus den Briefen des späteren Weihbischofs Knecht geht auch hervor, von welcher skrupelhaften Frömmigkeit Marie war. Es ist für uns heute schwer, einer solchen Frömmigkeit Verständnis entgegenzubringen. Wenn sie auch zum Teil dem religiösen Geist der damaligen Zeit zugeschrieben werden muß, so ging sie doch auch ihrem Beichtvater zu weit. Im letzten erhaltenen Brief steht: „... treten Sie mehr aus sich heraus und versuchen Sie recht viele Werke der Nächstenliebe zu verrichten. ... Sie sollen sich weniger ausschließlich mit sich selbst beschäftigen, nicht immer über sich selbst und ihre Angelegenheiten reflektieren, sondern für die leidenden Mitmenschen wirken. Gibt es etwas Schöneres, als Leidenden geistigen Trost zu spenden? ...“ Ich meine auch in einem Brief gelesen zu haben: Was gebeichtet ist, ist erledigt. Wäre das Ergebnis dieser Frömmigkeit wenigstens etwas positiver gewesen! Aber sie hat es sich und ihren Mitmenschen immer schwer gemacht. Sogar der Umgang mit ihrem Vater scheint nicht ohne Probleme gewesen zu sein. einige Bemerkungen in den Briefen Knechts haben in mir einen Verdacht aufkommen lassen, was das Verhältnis zwischen Vater und Tochter gestört haben könnte.
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