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Georg Brentano und sein Park in Frankfurt-Rödelheim - eine Familiengeschichte / Kapitel VII.

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Bald bedrückten die Eltern viel schlimmere Sorgen als die ums Geld und die Mutter konnte sich weder um unsere Schulaufgaben kümmern, noch um das, was wir sonst trieben. Annemarie, die Älteste wurde krank. Zuerst als die Diagnose noch nicht bekannt war, saß ich am Bett und las ihr vor. 10 Jahre war ich damals. Ganz enttäuscht sagte ich zur Mutter: sie hat gar nicht mehr zugehört, sondern ist eingeschlafen. Doch meine Mutter sagte: das hast du gut gemacht. Als man dann wusste, daß es Kinderlähmung war, Annemarie hatte sie sich auf einem Klassenausflug an den Rhein geholt, kam ihr Bett in des Vaters Wohnzimmer, dort war sie am besten von ihren Geschwistern isoliert. Es war ein ganz schwerer Fall von Kinderlähmung. Jeden Tag kam die barmherzige Schwester, um bei der Pflege zu helfen. Als diese einmal früh am Morgen mit einer Kerze in der Hand durch die Galerie ging, erschrak sie sehr: ihr entgegen kam eine lange Reihe Schwestern mit Kerzen in der Hand. Es waren die sich gegenüberliegenden Spiegeltüren, die diesen Spuk hervorriefen.

Es dauerte lange bis sich Annemaries Zustand besserte. Als erstes konnte sie die Finger wieder bewegen und sie machte mit dem Okischiffchen kleine Spitzen, die man an Taschentücher ansetzen konnte. Im Herbst kam sie für eine Spezialbehandlung nach Viersen, und die Nachricht, daß sie zum ersten Mal gestanden hätte, war das schönste Weihnachtsgeschenk für die Eltern. Eine zweite Spezialbehandlung erfolgte dann in Heidelberg. Dazu erzählte die Mutter folgendes: „Es war im Jahr 1923. Ein Unbekannter kam und frage nach dem Vater. Er übergab ihm einen Brief, dessen Empfang er sich bescheinigen ließ und verschwand dann, bevor der Vater Fragen stellen konnte. Der Brief enthielt eine große Summe Geldes, die für Annemaries Kur gedacht war.“ Es ist nie herausgekommen, von wem diese Spende war.

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